Vernunft und Glaube gebieten schnelleres Handeln
Einen ausführlichen Kommentar zum Apostolischen Schreiben von Sebastian Zink, der in gekürzter Form im Heinrichsblatt vom 22.10.2025 erschienen ist, finden Sie zum Download am Ende der Seite.
Am 04.10.2023, etwas mehr als acht Jahre nach Veröffentlichung der Enzyklika Laudato si' hat Papst Franziskus das Apostolische Schreiben Laudate Deum veröffentlicht. Er hat es selbst als Fortführung bzw. Aktualisierung seiner Umwelt- und Sozialenzyklika angekündigt.
„Lobt Gott für all seine Geschöpfe“ – mit diesem Zitat des hl. Franz von Assisi beginnt Papst Franziskus sein Apostolisches Mahnschreiben „Laudate Deum“ zu den aktuellen Herausforderungen des Klimawandels. Er rückt damit gleich zu Beginn eines der Hauptanliegen dieser Fortführung bzw. besser Aktualisierung seiner Umwelt- und Sozialenzyklika Laudato si´ (2015) in den Blickpunkt: ein verändertes Verhältnis des Menschen zur Natur!
Gegen einen verschleppten Klima- und Umweltschutz
Acht Jahre nach Veröffentlichung der Enzyklika drängt es den Papst dazu, erneut zu verstärktem Umwelt- und Klimaschutz aufzurufen und ein rasches und umfassendes Vorgehen gegen die Erderwärmung von Regierungen, Unternehmen und den einzelnen Menschen einzufordern. Dabei ist es Franziskus wichtig zu betonen, dass es sich beim Klimawandel um ein „globales soziales Problem handelt, das eng mit der Würde des menschlichen Lebens zusammenhängt“ (3), denn die Auswirkungen des Klimawandels werden vor allem zu Lasten der Armen und der am meisten gefährdeten Menschen gehen – das gilt hier in Mitteleuropa, aber in noch viel höherem Maße im globalen Zusammenhang.
Deutlich weist Franziskus dabei (auch innerkirchliche) Versuche zurück, den menschengemachten Klimawandel zu relativieren oder gar zu leugnen (6-14): „Ich sehe mich gezwungen, diese Klarstellungen, die offenkundig erscheinen mögen, aufgrund bestimmter abschätziger und wenig vernünftiger Meinungen vorzunehmen, die ich selbst innerhalb der katholischen Kirche vorfinde.“ (14). Die Anzeichen für den Klimawandel werden immer deutlicher erkennbar, auch wenn ihm eine Deutung der sich häufenden Extremwetterereignisse als anstehender Weltuntergang übertrieben erscheint: "Bestimmte apokalyptische Diagnosen erscheinen oft wenig vernünftig oder unzureichend begründet. Dies sollte uns [allerdings] nicht dazu verleiten, zu ignorieren, dass die reale Möglichkeit besteht, dass wir einen kritischen Punkt erreichen." (17)
In diesem Kontext werden knapp, präzise und kenntnisreich noch einmal die Ursachen des Klimawandels sowie die mit der Erwärmung verbundenen Folgen dargestellt und vor einem „Mangel an Informationen“ (8) sowie einer „sehr vereinfachenden Sicht der Wirklichkeit“ (9) gewarnt.
Veränderte Haltung zur Natur und Einschränkung menschlicher Machbarkeitsphantasien
Bei der Bekämpfung des Klimawandels aber auch anderer Umweltprobleme wird es nach Ansicht des Papstes nicht reichen, auf technologische Lösungen zu vertrauen und einfach weiterzumachen wie bisher. Vielmehr muss es um eine grundsätzlich veränderte Haltung zur Natur, zu unserer Mit-Schöpfung gehen: Viele Menschen sehen, so die Einschätzung des Papstes, für sich keine Grenzen gesetzt und glauben, dass die menschlichen „Fähigkeiten und Möglichkeiten dank der Technik ins Unendliche erweitert werden können“ (21). Die uns umgebende Welt wird so zu einem Objekt der Ausbeutung und ungezügelten Nutzung (25). Wenn wir uns aber nicht als Teil der Natur verstehen, sondern diese als ein Gegenüber sehen, das wir ausnützen können, verfallen wir in übersteigerte Macht- und Machbarkeitsphantasien – der Papst bezeichnet das als „technokratisches Paradigma“ –, die letztlich nur uns selbst schaden: „Das menschliche Leben, die Intelligenz und die Freiheit sind in die Natur eingebettet, die unseren Planeten bereichert, und sie sind Teil seiner inneren Kräfte und seines Gleichgewichts“ (26). Das technokratische Paradigma, so die Überzeugung des Papstes, ist der tiefere Grund für das Ausbleiben effizienter und ausreichender Maßnahmen gegen den Klimawandel.
Entsprechend habe "diese Situation nicht nur mit Physik und Biologie zu tun, sondern auch mit der Wirtschaft uns unserer Weise, sie zu verstehen. Die Logik des maximalen Profits zu den niedrigsten Kosten, verschleiert als Rationalität, als Fortschritt und durch illusorische Versprechen, macht jede aufrichtige Sorge um das gemeinsame Haus und jede Sorge um die Förderung der Außgestoßenen der Gesellschaft unmöglich." (31) Die tiefsitzende und von ihm schon häufig formulierte Skepsis des Papstes gegenüber einem auf dauerhaften Wachstum ausgelegten Wirtschaftssystem kommt hier deutlich zu Ausdruck.
Die Bedeutung von Multilateralismus und Klimaaktivismus
Als Verfechter des Multilateralismus, den er als zentralen Hebel zur Eindämmung einer Klimakatastrophe sieht, leidet der Papst an der aktuellen Schwäche der internationalen Politik. In den entsprechenden Abkommen zwischen den Staaten, wie sie v. a. auf den regelmäßigen Klimakonferenzen getroffen werden, fehlt es an Effizienz, Gelegenheiten und dauerhaftem Fortschritt. Weder gebe es eine Organisation mit realer Autorität, die das Erreichen der Ziele garantieren könnte (35), noch waren die bisherigen Entscheidungsprozesse ausreichend effektiv (43). Entsprechend sei das Umsetzungsniveau der letzten Klimakonferenzen sehr gering, da regelmäßig „nationale Interessen über das globale Gemeinwohl“ (52) gesetzt wurden. Für die nächste Klimakonferenz in Dubai hat der Papst entsprechend auch nur gedämpfte Hoffnung, auch wenn sie durchaus zu einem „Wendepunkt“ (54) werden könnte. Die dortigen Beschlüsse müssten dafür aber drei Kennzeichen aufweisen: „dass sie effizient sind, dass sie verpflichtend sind und dass sie leicht überwacht werden können“ (59). Seine verstärkten Hoffnungen setzt der Papst auf einen „Multilateralismus von unten“, aus einer globalen Zivilgesellschaft kommend, „der nicht einfach von den Machteliten beschlossen wurde“ (38).
Auch die Vernunft gebietet ein schnelleres Handeln, denn: „Wenn auch die Maßnahmen, die wir jetzt anwenden, mit Kosten verbunden sind, so werden diese noch wesentlich höher sein, je länger wir warten“ (56). Hinzu kommen schwerwiegende soziale und wirtschaftliche Folgen. Vor diesem Hintergrund nimmt Franziskus auch so genannte radikalisierte Gruppen von Klimaschützern in Schutz: „In Wirklichkeit füllen sie … eine Lücke in der Gesellschaft als Ganzer, die einen gesunden ‚Druck‘ ausüben müsste, denn es liegt an jeder Familie, zu bedenken, dass die Zukunft ihrer Kinder auf dem Spiel steht.“ (58)
Geistliche Beweggründe für Christinnen und Christen
Im letzten Abschnitt seines Briefes geht Franziskus auf geistliche Beweggründe für einen engagierten Klima- und Umweltschutz durch Christinnen und Christen ein. Schöpfungstheologisch begründet stellt er fest, dass die Erde bleibendes Eigentum Gottes sei und „die Gesamtheit des Universums … den unerschöpflichen Reichtum Gottes“ (63) zeigt. Wir müssen anerkennen, „dass das menschliche Leben ohne andere Lebewesen nicht verstanden und nicht aufrechterhalten werden kann“ (67). Es gilt, „dass sämtliche Geschöpfe des Universums, da sie von ein und demselben Vater erschaffen wurden, durch unsichtbare Bande verbunden sind und wir alle miteinander eine Art universelle Familie bilden, eine sublime Gemeinschaft, die uns zu einem heiligen, liebevollen und demütigen Respekt bewegt.“ (LS 89). „Durch unsere Leiblichkeit hat Gott uns so eng mit der Welt, die uns umgibt, verbunden, dass die Desertifikation des Bodens so etwas wie eine Krankheit für jeden Einzelnen ist, und wir können das Aussterben einer Art beklagen, als wäre es eine Verstümmelung.“ (69)
Der Papst schließt mit der Erinnerung daran, dass es keine dauerhafte Veränderung ohne kulturellen Wandel – einem Wandel des Lebensstils und der gesellschaftlichen Überzeugungen geben kann (71). Hier könne jeder Einzelne ansetzen: „Der bloße Umstand, die persönlichen, familiären und gemeinschaftlichen Gewohnheiten zu ändern, nährt die Besorgnis angesichts nicht wahrgenommener Verantwortung durch politische Akteure und die Empörung gegenüber dem Desinteresse der Mächtigen.“ (71)
Notwendige Reflexion über den menschlichen Machtgebrauch und eigenes kirchliches Engagement
Mit Laudate Deum hat Papst Franziskus ein Dokument vorgelegt, das die Frage nach der Stellung des Menschen in der Schöpfung in den Mittelpunkt stellt. In einer Epoche, die von vielen als Anthropozän bezeichnet wird, also als Erdzeitalter, in dem der Mensch zentraler Faktor aller Prozesse auf unserem Planeten geworden ist, benennt er klar die daraus erwachsende ethische Frage: "Wir müssen alle gemeinsam die Frage nach der menschlichen Macht, nach ihrem Sinn und nach ihren Grenzen neu bedenken" (28), ansonsten würden sich "unsere Macht und der Fortschritt, den wir erzeugen, sich gegen uns selbst richten" (28). Und so sei es zwar richtig, dass die jüdisch-christliche Glaubenstradition den "besonderen Wert des Menschen inmitten des wunderbaren Konzerts aller Lebewesen" hervorhebt, zugleich müssten wir aber "anerkennen, dass das menschliche Leben ohne andere Lebewesen nicht verstanden und nicht aufrechterhalten werden kann" (67). Einen auf sich allein gestellten "allmächtigen, unbegrenzten Menschen" könne es nicht geben. Vielmehr müsse sich der Mensch heute "auf eine demütigere und umfassendere Weise" begreifen (68). Der Papst wiederholt daher seine zentralen Hinweise aus Laudato si´: "Alles ist miteinander verbunden" und "Niemand rettet sich allein" (19). Nur so können wir die geistigen und kulturellen Grundlagen legen, um ihm Kampf gegen den Klimawandel wirklich voranzukommen. „`Lobt Gott` ist der Name dieses Schreibens. Denn ein Mensch, der sich anmaßt, sich an die Stelle Gottes zu setzen, wird zur schlimmsten Gefahr für sich selbst.“ (73)
Dies gilt - auch wenn sich das päpstliche Schreiben v. a. an die Politik richtet - ebenfalls und in besonderer Weise für die Kirche. Ein mahnender Appell an Politik und Gesellschaft kann letztlich nur Wirksamkeit entfalten, wenn kirchliches Handeln dem Geforderten entspricht.
Das Schreiben im Wortlaut findet sich hier.
Auch Diözesanadministrator Herwig Gössl hat sich hier zum Papst-Schreiben geäußert.